Synonym: chronisch abakterielle Prostatitis, Beckenbodenmyalgie, chronisches Schmerzsyndrom des Beckens (CPPS, chronic pelvic pain syndrome), chronisches Beckenschmerzsyndrom, nicht-entzündliches Beckenschmerzsyndrom, Prostatodynie, vegetatives Urogenitalsyndrom, anogenitaler Symptomenkomplex.
Das chronische Beckenschmerzsyndrom ist gekennzeichnet durch phasenweise auftretende, über Tage oder Wochen anhaltende Mißempfindungen (Druck, Ziehen, oder Brennen im Unterbauch/Blasengegend) evtl. in die Flanken, in die Leisten/Hoden sowie in die Oberschenkelinnenseite ausstrahlend.
Es ist begleitet durch einen vermehrten Druckschmerz am Ober- und Unterpol der Hoden (Nebenhodenkopf und Nebenhodenschwanz). Die Schmerzen können beidseits, wechselseitig oder nur einseitig auftreten. Ferner können sie diffus in den Penis, manchmal auch punktuell in die vordere Harnröhre oder Penisspitze ausstrahlen.
Schließlich kann sich der Schmerz im Dammbereich (zwischen After und Hodenansatz) als Druck oder Fremdkörpergefühl bemerkbar machen. Das Beschwerdebild kann alle oder nur einzelne der oben beschriebenen Symptome beinhalten.
Typischerweise tritt das chronische Beckenschmerzsyndrom in Ruhe auf (sitzen, liegen, stehen), bei körperlicher Anstrengung verschwindet es solange kein Druck auf die Hoden oder Dammregion ausgeübt wird. Manchmal projizieren sich die Missempfindungen in die Blase und Harnröhre und werden als Harndrang fehl gedeutet. Die Betroffenen versuchen durch ständiges Wasserlassen dieses irritierende Gefühl los zu werden, was jeweils aber nur eine kurze Erleichterung bringt. Da die Blase leer ist, obwohl sie sich voll anfühlt, ist das Wasserlassen mühsam, der Harnstrahl abgeschwächt, die Blasenentleerung zum Teil nur tröpfchenweise.
Körperliche Untersuchung: Die ärztliche Untersuchung zeigt ein unauffälliges äußeres Genital, es sind keine Leistenbrüche vorhanden, die Hoden sind beidseits glatt berandet, die Nebenhoden zart und schlank. Es lässt sich meist ein Druckschmerz am Hodenunter- oder Operpol auslösen. Rektal (durch den After) tastet man eine unauffällige, nicht druckempfindliche Prostata. Die Nierenlager sind beidseits frei von Klopfschmerz.
Ultraschalluntersuchung: Hoden und Nebenhoden sind unauffällig und zeigen ein normales Durchblutungsmuster. Die Untersuchung der Prostata durch eine durch den After eingeführte Sonde zeigt erweiterte gestaute, um die Prostataloge gelagerte Venengeflechte. Die Nieren sind unauffällig.
Bakteriologische Untersuchungen: Im Urin finden sich keine Entzündungszeichen, ebenso wenig im Ejakulat. Sexuell übertragbare Erkrankungen sind vorzugsweise mit einer PCR (Polymerase Kettenreaktion) aus Urin und Ejakulat auszuschließen.
Blutlabor: Im Blut lassen sich keine Entzündungszeichen nachweisen. Der PSA-Wert liegt im Normbereich und ist nicht entzündungsbedingt erhöht.
Ursachen: Ursächlich für das chronische Beckenschmerzsyndrom ist eine vegetative Dysregulation ausgelöst durch Stress, der noch durch die Beunruhigung über das schwer einzuordnende Beschwerdebild verstärkt wird. Es kommt zu Muskelverspannungen im kleinen Becken, sowie zu einer vermehrten Blutfülle (Kongestion) der Beckengefäße. Die Schmerzen/Missempfindungen werden über den Nervus genitofemoralis weitergeleitet und führen zu dem oben beschriebenen Beschwerdebild.
Es ist anzumerken, dass wir alle in irgendeiner Form auf Stress reagieren, wobei wir uns die Art und Weise wie wir reagieren nicht aussuchen können, sondern als Reaktionsmuster vorfinden. Wie ausgeprägt unsere Stressreaktion ist, hängt von unserer körperlichen und seelischen Verfassung ab. Je gesünder und ausgeglichener wir sind, desto weniger werden wir darunter leiden.
Therapie: Entscheidend ist die Aufklärung über die Harmlosigkeit der „Erkrankung“, nachdem andere Funktionsstörungen ausgeschlossen werden konnten. Unmittelbare Wirkung zeigt Wärme (Wärmflasche/heißes Sitzbad) und vermehrte Bewegung, wobei hier Druck auf den Damm (z. B. Fahrrad fahren) zu vermeiden ist. Hilfreich sind osteopathische Behandlungen der Beckenverspannungen evtl. kombiniert mit Entspannungsübungen (z.B. Yoga).
Eine Langzeitstabilisierung des chronischen Beckenschmerzsyndroms erreichen wir durch:
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eine optimale Lebensführung mit viel Bewegung
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gesunde Ernährung
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ausreichende Erholungsphasen (evtl. gezielte Entspannungsübungen)
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letztlich alles was die Lebensfreude erhöht.
Verlauf: In der Regel klingt das Beckenschmerzsyndrom langsam (Tage, Wochen) ab, kann aber unter ungünstigen Umständen und erneuter Belastung nach Monaten oder Jahren wieder aufflammen.
Es besteht die Gefahr, dass die Beschwerden als Ausdruck einer Harnwegsinfektion oder einer Prostataentzündung (Prostatitis) fehl interpretiert werden. Eine entsprechende Therapie (z.B. Antibiotika) würde dann nur zu einer kurzzeitigen oder zu gar keiner Linderung verhelfen.
Einen Link zum Kurzfilm des Bayerischen Rundfunks „Chronisches Beckenschmerzsyndrom“ an dem wir inhaltlich mitgestaltet haben finden Sie hier.